EuGH beendet Streit um die Bestimmung der SVHC (REACH)
Grenzwert muss in Relation zum homogenen Teilerzeugnis gesetzt werden
Worauf Industrie, Handel, Importwirtschaft, Laboratorien im Verbraucherschutz und Behörden mit Spannung warteten, hat der Europäische Gerichtshof jetzt, am 10.09.2015, in einer Vorentscheidung verkündet: Die Mitteilungspflicht bezüglich der besonders besorgniserregenden Stoffe (SVHC) nach der europäischen Chemikalienrichtlinie (REACH) bezieht sich nicht auf das gesamte Produkt sondern auf jeden homogenen Teil des Erzeugnisses.
Nach Artikel 33 Abs. 2 der REACH-Verordnung muss der Lieferant auf Ersuchen des Verbrauchers diesem "ihm vorliegende, für eine sichere Verwendung des Erzeugnisses ausreichende Informationen zur Verfügung stellen", wenn es sich dabei um eines der gegenwärtig 169 SVHC handelt und dabei der Grenzwert (0,1 Masse%) überschritten wird.
Fraglich war und unterschiedlich ausgelegt wurde bisher, ob sich der Messwert bei Produkten, die aus mehreren unterschiedlichen Teilen bestehen, auf die Masse des gesamten Produkts oder lediglich auf dessen jeweiliges Teilerzeugnis beziehen sollte. Ein Beispiel: Wurden in den Griffen eines Fahrrades gesundheitsgefährdende Weichmacher in einer Konzentration über diesem Grenzwert gefunden, trat die Meldepflicht nicht ein, wenn sich der Befund durch Schreddern des gesamten Fahrrades und damit durch eine "Verdünnung" der Probe auf die Masse des gesamten Fahrrades (und nicht auf die Fahrradgriffe alleine) bezog.
Hier stellt der EuGH nun klar, "dass der Importeur eines Produkts, das sich aus mehreren Erzeugnissen zusammensetzt, für jedes Erzeugnis festzustellen hat, ob es einen solchen Stoff in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) dieses Erzeugnisses enthält."
Durch das EuGH-Urteil wird die Informationspflicht somit deutlich erweitert. Auch für den Hersteller und Importeur sorgt das Urteil nun für Klarheit für deren internes stoffspezifisches Risikomanagement.
"Die Entscheidung des EuGH bestätigt letztendlich auch die Arbeit unserer Projektgruppe im VUP", kommentiert Dr. Thomas Gude, Vorsitzender dieser Projektgruppe "REACH-SVHC" im Deutschen Verband Unabhängiger Prüflaboratorien (VUP). Er verweist dabei auf die vom Verband bereits 2013 vorgelegte Leitlinie zum "Screening von Erzeugnissen gemäß REACH-Verordnung auf SVHC". An der Entwicklung und Fortschreibung dieser Handlungsempfehlung sind Fachleuten der Laborbranche aus Deutschland und der Schweiz beteiligt.
Die meisten Waren, wie beispielsweise Elektroartikel, bestehen aus zahlreichen Teilerzeugnissen. All diese Teilerzeugnisse sind auf eine Vielzahl von chemisch unterschiedlich strukturierten Substanzen (gegenwärtig 169 SVHC) zu untersuchen. In der Praxis führe dieses zu einem hohen sehr hohen Aufwand, gibt der Verband zu bedenken. Zudem seien die überwiegende Anzahl der anzuwendenden Analyseverfahren nicht genormt. Vergleichbare, gerichtsbeständige Bewertungen von Produkten auch im Sinne des Verbraucherschutzes ließen sich daher kaum gewährleistet.
Diese Problematik sucht die VUP-Leitlinie zu lösen. Mit dem hier beschriebenen Screeningverfahren soll die Informationspflicht für den Lieferanten verlässlich und schließlich auch effizient, kostensparend gestaltet werden, so Gude.
Der VUP ist bestrebt, das erarbeitete Verfahren gemeinsam mit den Vertretungen der Industrie, des Handels und der Importwirtschaft zunächst auf nationaler Ebene einzuführen. Parallel dazu bereitet der Verband gegenwärtig vor, die Leitlinie als Vorlage für einen internationalen Standard zunächst in eine DIN-Norm zu überführen.