"Privatwirtschaft als Lückenbüßer der Amtsstuben"
Empörung über ?Wochenendvergabe? von BSE-Tests durch das Giessener Untersuchungsamt
Gießen (VUP, 03.12.2002). Als regelrechte Unverschämtheit bewertet der Deutsche Verband Unabhängiger Prüflaboratorien (VUP, Gießen) die jüngste Ausschreibung des Giessener Staatlichen Untersuchungsamtes Hessen zur "BSE-Wochenendvergabe". Das Amt beabsichtigt hiernach die Untersuchung von an Wochenenden anfallenden Stammhirn-Proben vollständig und langfristig an ein privates BSE-Labor billigst zu vergeben, während die in der Woche anfallenden Untersuchungen weiterhin ausnahmslos im Amt durchgeführt werden.
"Wir gönnen den Beamten ihren wohlverdienten Wochenend-Erholungsurlaub. Die Privatwirtschaft aber alleine zum Lückenbüßer der Staatsbediensteten während der unangenehmen Wochenendarbeitszeit herabzustufen, sehen wir als fatalen wirtschaftspolitischen Irrweg in den Amtsstuben", zeigt sich Dr. Klaus-Peter Lörcher, Präsident des in Gießen ansässigen Bundesverbandes verstimmt.
Lörcher erinnert an die noch vor wenigen Monaten der Presse zu entnehmenden Pauschalverurteilung mancher Politiker, wonach private Untersuchungsstellen bei der BSE-Untersuchung unzuverlässig seien. Träfe diese zu, könne man den Verbrauchern in Hessen nach dieser Ausschreibung nur noch raten, auf an Wochenenden geschlachtetes Rindfleisch zu verzichten.
"Wir haben mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass hier ein Umdenken in den Köpfen dieser Verbraucherschutzpolitiker stattgefunden hat", Lörcher weist dabei auf die kürzlich erfolgte Erklärung des Berliner Staatssekretärs Alexander Müller gegenüber dem VUP hin: "Vorgesehen ist, dass amtliche Prüflaboratorien nicht amtliche Prüflaboratorien mit der Durchführung bestimmter Untersuchungen beauftragen können, sofern diese hinsichtlich der Qualitätssicherung mindestens die gleichen Voraussetzungen erfüllen, wie die amtlichen Laboratorien", heißt es aus dem Verbraucherschutzministerium.
Auch in Hessen existiert eine Anzahl von privaten unabhängigen Unternehmen, die diese Kompetenz nachweisen konnten, und an die sich die über die Oberfinanzdirektion Frankfurt erfolgte beschränkte Ausschreibung des mittelhessischen Amtes richtet.
Diese privaten Unternehmen arbeiten durchweg kostengünstiger als das staatliche Untersuchungsamt stellten wiederholt von Staatsseite beauftragte Wirtschaftlichkeitsstudien fest. Wenn also die oft vorgeschobene größere Zuverlässigkeit staatlicher Laboratorien als Argument für den deutlich höheren Kostenaufwand der Untersuchungsämter nicht zutreffend ist, was rechtfertige dann noch den Ausschluss der unabhängigen privaten BSE-Untersuchungsstellen von den Routineuntersuchungen während der Woche, fragt man sich im VUP.
"Hier wird offenkundig, um was es dem Untersuchungsamt und dem zuständigen Hessischen Sozialministerium bei dieser Vergabepolitik eigentlich geht. Werktags will man den Anschein der Geschäftigkeit erhalten, um damit die Notwendigkeit des eigenen Daseins zu rechtfertigen", empört sich Lörcher. "Dieses wird besonders deutlich, wenn man das Hausieren der Ämter um Proben bei anderen für den Verbraucherschutz kaum relevanten Untersuchungen in die Betrachtungen einbezieht". Durch eine möglichst hohe Zahl durchgeführter tlw. pseudowichtiger Tests wolle man politische Entscheidungsträger von der Diskussion der Wirtschaftlichkeit eines staatlichen Untersuchungsamtes ablenken, mutmaßt der Ludwigsburger freiberufliche Naturwissenschaftler.
Das derzeitige kämpferische Eintreten der Gewerkschaft gegen eine Nullrunde im öffentlichen Dienst sei bei dieser "Wochenendvergabe" zu Tage tretenden sozialen Einstellung ein regelrechter kollegialer Affront. "In vielen mittelständischen Unternehmen der Privatwirtschaft, so auch in den privaten Laboratorien, ist in diesem Jahr eine Nullrunde aufgrund der wirtschaftlichen Lage an der Tagesordnung", so der VUP.
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